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11/2020 Sexarbeit: Deutschland, wir müssen reden!

 

Click here to read the English version: 11/2020 Sex Work In Germany: We Need To Talk!

Seit gerade mal 2002 wird Sexarbeit rechtlich als Beruf gesehen, und schon wieder werden die Stimmen laut, Strafen und Verbote gesetzlich zu verankern, um Sexarbeit auszumerzen, und das alles frechweg unter dem Deckmantel der Coronakrise.

Corona als Hintertür zur deutschen Repression von Sexarbeit

Wir Schwulen kennen den Scheiß schon, denn, als wir endlich mit der 68iger Bewegung gemeinsam mit den Heteros dafür gesorgt haben, dass dem Staat die Befugnis abgesprochen wurde, die „sittliche Ordnung“ mit den Mitteln des Strafrechts zu verteidigen, gab es für uns Schwule noch lange Zeit den §175. Er beinhaltete einen überdimensionalen Jugendschutz im Falle eines homosexuellen Übergriffes.

Unter dem §175 entstanden für Schwule viele unfaire rechtliche Probleme und wurde noch bis in den 90iger Jahre in Deutschland angewendet. Er fand vor allem in jeder Diskussion über Schwulenrechte immer wieder seinen Platz als Rechtfertigung, dass Schwulsein eben „was Anderes“ ist.

1990 wurden in Deutschland von fast 100 Verurteilten noch 10 Menschen in den Knast gesteckt, weil sie „Unzucht“ betrieben, während die Öffnung der Ehe für Homosexuelle bereits im Gespräch war. Der Paragraph wurde erst 1994 gestrichen.

Und warum gab es den §175 für Männer? Natürlich wegen Moral, denn Schwulsein ist eben was Schlechtes.

Übrigens, wurden grundsätzlich Männer verfolgt und bestraft, denn männliche Homosexualität ist ja so viel schlimmer für eine psychische Entwicklung als die weibliche Homosexualität *ironieoff*. Das ist sozusagen, für Schwule, ein Sexismus im Sexismus. Und, warum war das so? Frauen hat man damals keine eigenständige Sexualität zugetraut – für Lesben also, ein klarer Fall vom Glück im Unglück. Das gibt es für Sexarbeiterinnen heute noch, denn für die Sexarbeitsgegner kann Sexarbeit grundsätzlich von keinem Anbieter als positiv empfunden werden. *kopfschüttel*

In den 80iger Jahren wurde erstmals die Rolle der „Nutte“, sowie des „Hinterladers“, politisch wie moralisch gleichermaßen stark im Rahmen der AIDS-Diskussion thematisiert. Es entstand hier ein neues Bild der Sexualität, denn man musste sich plötzlich gesamtgesellschaftlich mit „Infektionswegen“ und „Kontakthäufigkeiten“ auseinandersetzen.

2020 haben wir nun das Coronavirus, und schon wieder müssen wir uns erklären, weil man draußen irrsinnige Bilder von Prostitution im Kopf hat.

Beispiele:

  • Kunden sind in den seltensten Fällen die totalen Unbekannten; im Falle einer Infektion ist eine Kontaktaufnahme mit dem Kunden fast immer möglich. Das gilt im erhöhten Maße während einer Pandemie, weil:
  • Kunden von Sexarbeitern sind auch keine hormonell-unzurechnungsfähigen Menschen, denn auch sie haben ein Interesse an ihrer Gesundheit.
  • Ja, beauftragte Gangbangs gibt es, sind aber eher selten, denn die Prostitution ist i.d.R. ein „1 zu 1“-Geschäft, und das gilt für alle sexuelle Ausrichtungen, sowie für alle Geschlechter.
  • Wer glaubt, dass man in der Sexarbeit 20 Kunden täglich bedienen kann, der möge mal nachrechnen wie reich wir Huren dann wären, wenn wir das ein paar Monate durchziehen würden. Jeder Physiotherapeut hat i.d.R. mehr Kunden.
  • In Bordellen oder SM-Studios ist es nicht schmutzig, denn Hygiene ist hier seit Jahrhunderten eine Pflichtnummer für alle Beteiligten. Sexarbeiter sind da i.d.R. sogar verdammt gut drin.

Sexarbeit: Hygienemaßnahmen im Domina Studio

Mein Klient Alex sagt offen,was er denkt:

„Ich bin öfters Gast im LUX-Dominastudio in Berlin. Ich finde das Ambiente dort viel ansprechender für das Ausleben von dunklen Fantasien, als mein heimisches Wohnzimmer in Hamburg.

Wenn ich mit dem Dominus  – oder Master Andre, wie ich ihn nenne, nach einer Session noch was trinken gehe, dann sehe ich auch, was hinter den Kulissen passiert, nachdem er seine schwere Ledermontur gegen bequeme blaue Jeans und schwarzes T-Shirt ausgetauscht hat. Master Andre pustet die Kerzen aus, entfernt sorgfältig die Wachsspuren und öffnet die Fenster zum Lüften. Die Handtücher werden ausgetauscht und das Bett frisch bezogen (obwohl es an dem Nachmittag gerade mal als Sitzplatz für uns diente). Danach werden Halsbänder, Masken, Ketten, Gurte und alle anderen benutzten Gegenstände einzeln desinfiziert und trockengerubbelt.

„Wir haben eine Reinigungsdame, die das Gröbste erledigt, aber die Feinarbeit machen wir selbst“, sagt er.

Schließlich ist der Fußboden dran: Feuchtwischen, bis in die hinterste Ecke. Die Gläser wandern in die Spülmaschine, die benutzen Handtücher landen im Wäschekorb und die Fenster werden wieder geschlossen.

Zum Schluss hat er immer ein zugeknotetes Tütchen mit den physischen Überbleibseln unserer Session (Kondome, Papier, Einmalhandschuhe usw.) an seiner Hand baumeln, die er auf dem Weg nach draußen im Müll deponiert. Wenn wir den Raum verlassen, sieht es drinnen aus, wie in einem frisch gereinigten Hotelzimmer.

Wenn ich mir heute die Corona-bedingten Hygieneanforderungen ansehe, kann ich nur sagen: das LUX hatte sie lange vor Eintreten der Pandemie bereits erfüllt. Ich kann bezeugen, dass Sauberkeit und Hygiene hier einen verdammt hohen Stellenwert genießen.

Der Hauptpunkt in der leidigen Corona-Debatte: wenn der Staat seinen Mitbürgern den Sex untereinander nicht über den Weg der Sanktionen verbietet, wie derzeit, muss es ebenfalls – wenn nicht sogar im höherem Maße – für die Sexarbeit gelten.

Die gewerblich organisierte Sexarbeit wird aufgrund ihres wirtschaftlichen Interesses logischerweise sogar noch umsichtiger vorgehen. Un das nicht nur, weil der Körper des Sexarbeiters und die Gesundheit des Klienten das Kapital des Sexarbeiters darstellen, nein, es lassen sich mit den umliegenden Instanzen (Bordelle, Hilfseinrichtungen usw.) Regeln einführen und kontrollieren.

Aber was passiert? Spricht man mit uns? Erarbeitet man mit uns Lösungen? Nein, wir werden „verboten“. Sexarbeit ist auch Monate, nachdem Friseure wieder einen Pony im Gesicht schneiden, immer noch illegal.

Es kommt noch besser, denn alle Beteiligten wissen, dass Prostitution trotzdem stattfindet. Fast jeder arbeitet wieder – irgendwo und irgendwie. Fakt ist, dass die Arbeit mit weniger Hygiene stattfindet (Hotels, Privatwohnungen, Toiletten usw.). Aus epidemiologischer Perspektive, vollkommener Unsinn.

Hinzu kommt, dass die Beratungsstellen schließen, – aber es fragt eh niemand nach gesundheitlichem Rat in der Illegalität – nur nach Hilfe, da kein Geld mehr da ist, weil Hartz 4 kaum ausreicht, und selbst diese Zuwendung für viele migrierte Sexworker grundsätzlich nicht zur Verfügung steht. Ganz zu schweigen vom körperlichen Schutz für weibliche Sexarbeiter – der fällt derzeit durch den Wegfall der Bordelle und der dazugehörigen Security, komplett flach.

Das ist eine saftige Ausgrenzung, die seinesgleichen sucht, mit der Begründung der  „mangelnden Kontrollierbarkeit der Hygienekonzepte“ (siehe: Schriftliche Kleine Anfrage 22/823 der Abg. Dr. Ensslen u. Özdemir (Die Linke) Wie steht es um die Berufsfreiheit der Prostituierten? Drucksache Nr. 2020/1280). Abgesehen davon, dass die wenigsten Geschäfte und Büros über riesige kontrollierbare Fensterfronten verfügen, sind auch alle weiteren Begründungen an den Haaren herbeigezogen. Lies einfach selber.

Lass Dich nicht verarschen, es geht bei diesem Sexkaufverbot derzeit mal wieder um Moral – genau wie damals in der AIDS-Thematik.

Warum wird derzeit das spontane gegenseitige orale Penetrieren über grindr, tinder & Co nicht mit Bußgeldern belegt, während man in der Sekunde des Kaufs eines Blowjobs, eine saftige Ordnungswidrigkeit begeht? Das Virus wird sicher nicht durch den Bezahlvorgang ausgelöst, oder? Trotzdem macht sich die Polizei derzeit vor dem Trans-Straßenstrich auf der Frobenstraße breit, und versaut somit das eh schon Corona-bedingt mies laufende Geschäft.

Ausgrenzung von Menschen in der Sexarbeit

Klares Ausgrenzen der Sexarbeiter – und natürlich wird mit den Kleinsten angefangen. Ralf Rötten (Geschäftsführer von HILFE-FÜR-JUNGS e.V.) hierzu:

„Die besonders von Diskriminierung betroffenen in der Sexarbeit sind jetzt in der Corona-Krise auch wieder diejenigen, die die größten persönlichen Opfer erbringen müssen.“

Diese Ausgrenzung von unliebsamen Gruppierungen unter gesundheitlichen Vorwänden kommt mir alles reichlich bekannt vor. Hat doch Horst Seehofer 1987 vorgeschlagen, AIDS-Infizierte und Kranke künftig „in speziellen Heimen“ zu sammeln. Kultusminister Hans Zehetmair hat damals noch einen draufgesetzt: (…) Homosexualität gehöre in den „Randbereich der Entartung (…) Das Umfeld der ethischen Werte muss wiederentdeckt werden, um diese Entartung auszudünnen.“ (Quelle: Spiegel.de)

Gott sei Dank, konnten sich diese Werte seinerzeit nicht durchsetzen, und die von der CSU gewünschten Zwangsregistrationen und angedachten Verschleppungen wurden nicht eingeführt, denn irgendwann wurde miteinander geredet, und Lösungen erarbeitet.

„Eine Pandemie zum billigen Vorwand zu nehmen, um in paternalistischer Weise Sexarbeitenden gegen ihren ausdrücklichen Willen auch zukünftig vor möglichen Gefahren zu schützen, ist weder demokratisch, noch emanzipatorisch und schon gar nicht feministisch. Diese fragwürdige Allianz von bibeltreuen Christ*innen, über Sozialdemokrat*innen bis hin zu Altfeminist*innen, wird das Elend der Sexarbeitender vertiefen, und die Infektionszahlen mit STIs in die Höhe treiben (wie bei den Männern in Schweden). Der beste Schutz vor Ausbeutung, Unterdrückung und auch sexuell übertragbaren Infektionen ist immer noch die Aufklärung und der offene Umgang mit Fragen zu Gesundheit, Sexualität und Selbstbestimmung in einer Gesellschaft. Das hat sich schon bei AIDS in den letzten 35 Jahren gezeigt.“

– Ralf Rötten

Noch bis 1977 schrieb das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass eine Frau die Erlaubnis ihres Ehemanns für die eigene Berufstätigkeit brauchte. Bei Abschaffung skizzierten die Konservativen das erschreckende Bild der verwahrlosten Kinder, weil die Mütter sich aufgrund der nun anfallenden Karriere nicht mehr um sie kümmerten, und zogen als Beleg traumatisierte Scheidungskinder heran.

Sexarbeit und Sexkauf-Verbot

Ähnlich verhält es sich mit den Überlegungen zum Sexkaufverbot – eben nur rückwärts. Man nehme Opfer von Menschenhandel, werfe sie in einen Topf mit Sexarbeitern und verlange nun ein großes und einfaches Verbot.

Lass Dich nicht verarschen, das Eine hat mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun. Es behauptet sowieso niemand, er könne Kriminalität zu 100% bekämpfen – in keiner Branche. Selbst die Sexarbeitsgegner gehen nicht soweit mit ihren Forderungen nach Verboten und Strafen.

Aber kann ein Verbot hier tatsächlich wenigstens etwas helfen? Klingt schon alleine aufgrund der Einfachheit, nach einem populistischen Gedankenansatz. Schauen wir in die Geschichte der USA: hier wurde das – sicherlich für einige Menschen – große Problem „Alkohol“ nicht durch die Prohibition (=Gesamtverbot von Konsum und Verkauf von Alkohol, 1913-1921) besiegt.

Es erscheint rückwirkend als eine der dümmsten Maßnahmen für eine derart komplexe Fragestellung, welche sich im Spannungsfeld von „tödlicher Droge“ bis zum „zwanglos anwendbarem Positiv-Verstärker“ befindet. Worauf haben wir Menschen in der ganzen Welt gesetzt? Auf Aufklärung, Selbstbestimmung und sinnvolle Regeln – nicht auf ein flaches, gesamtheitliches Verbot.

Ich verlange eine deutliche Trennung zwischen Kriminalität in der Prostitution, und Sexarbeit. Von der heutigen Gesellschaft ist zu erwarten, dass sie es schafft, sich gezielt eines Problemfeldes anzunehmen, ohne die Berufswahl von 40400 Menschen* zu zerstören, und durch pauschale Opferzuschreibung zu entmündigen, sowie – darüber hinaus – die Freiheit eines jeden Bundesbürgers dermaßen einzuschränken.

Sexarbeit und „für Sex bezahlen“

Das sagt mein Klient Alex: „Es fällt mir überhaupt nicht schwer, einen geeigneten Sexpartner zu finden, um den schnellen Kick einer geilen Nummer zu bekommen. Sexuell gesehen habe ich keinen Nachholbedarf, oder unerfüllte Wünsche. Ich zahle nicht für den Sex, ich zahle für das Erlebnis.

Wenn ich ins Studio LUX gehe, dann geht es um viel mehr als Sex. Sehr viel mehr! Ich bin bereit, mich auf ein erotisches Abenteuer der besonderen Art einzulassen, in dem Kreativität, Neugier, Mut und Vertrauen mindestens einen gleichwertigen Stellenwert haben, wie der Sex.

Es ist die Suche nach dem Außergewöhnlichen, nach dem Ungewöhnlichen… vielleicht auch der Wunsch nach einem kurzfristigen Ausbruch aus der Realität, und das Eintauchen in einer Welt, die zwar nicht „verboten“ ist, der jedoch schon immer Adjektive wie „verrucht“ und „pervers“ angeheftet wurden.“

Frauenbewegung und Sexarbeit

Kommen wir zurück zur Frauenbewegung: Viele Gesetze haben Frauen heute dahin gebracht, wo sie jetzt sind, und trotzdem müssen wir uns 50 Jahre später immer noch neue Maßnahmen überlegen, wie z.B. Quotenregelungen bei Vorständen und Parteien, damit Frauen gleichberechtigt sind. Wie zur Hölle kommen wir auf die Idee, dass das neue Prostitutionsgesetz von 2002, bereits 2020 in voller Breite, in einem solch diversen Umfeld in der Praxis funktionieren muss? Natürlich müssen wir nachbessern – das ist logisch.

Die neuen Regeln von 2018 sind allerdings ein Witz hinsichtlich der Zielsetzung. Glaubt echt jemand, dass unsere Registrierung, also die Erfassung von sowieso schon bekannten Sexarbeitern, wie z.B. mir, irgendeinem Menschenhandelsopfer hilft? Das war ein teurer Griff ins Klo für den Steuerzahler. Verpflichtend sollte nur die Anmeldung beim Finanzamt sein, wie bei anderen Selbstständigen auch.

Es wäre grundsätzlich wünschenswert, wenn MIT uns Sexarbeitern gesprochen werde würde – nicht ÜBER uns.

Ich werde nicht müde, Dinge zu fordern, die wirklich was bewegen und zwar:

  • finanzielle Unterstützung von anonymen und leicht erreichbaren Beratungsstellen
  • deutschlandweit kostenlose Untersuchungen und Behandlungen in den Gesundheitsämtern
  • den Zugang zur Künstler-Sozialkasse
  • den Aufbau eines niedrigschwelligen Ausbildungs- und Fortbildungssystems für Sexarbeitende – berufsbegleitend und freiwillig
  • die Aufnahme von Sexarbeit ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
  • die Möglichkeit eines Arbeitsvisums für migrantische Sexarbeitende und vor allem
  • ein Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel

Wenn wir Gesetze schaffen, dann müssen wir oftmals orakeln, was die bessere Lösung ist. In puncto des Gesetzes von 2002 wissen wir das schon: vorher war es nachweislich für 40.400* Menschen beschissener, denn Sexarbeit war rechtlich nicht anerkannt – PUNKT. Illegalität, die erzwungen wird durch Bestrafung unserer Kunden, zieht uns – logischerweise – mit, bzw. wieder in den Abgrund.

Jedes Mal, wenn ein Menschenhandelsopfer ausführlich seine Geschichte beschreibt, und somit belegt werden soll, dass Prostitution der Grund allen Übels ist, dann frage Dich, warum Sexarbeitsgegner darauf verzichten, sich grundsätzlich um das Problem „Gewalt und Unterdrückung von Menschen“ zu bemühen. Das würde nämlich die vielfach geprügelte Ehefrau mit einem normalen Beruf miteinschließen.

Das interessiert keinen Sexarbeitsgegner, weil diese geprügelte Frau ja brav verheiratet ist, also einem moralischen Kodex entspricht. Nur wenn sie eine Prostituierte ist, dann müssen wir ein neues Gesetz schaffen.

Lass Dich nicht verarschen – es geht nur um eine Veränderung der Moral zur Sexarbeit durch ein Gesetz.

Jedes Mal, wenn man Dir vom „ekeligen bösen Freier“ erzählt, der sich in Freier-Foren abwertend gegenüber Sexarbeitern äußert, frage Dich, wieviel Sexarbeiter siehst Du auf der Straße, die sich hierzu beschweren? Lediglich ein paar Aussteiger wirst Du finden, denen es an professioneller Abgrenzung zum Beruf mangelte. Sexarbeiter kommen mit einer Negativbewertung klar, denn wir wissen, dass wir eine Dienstleistung anbieten.

Lass Dich nicht verarschen – es geht auch hier nur um eine Veränderung der Moral zur Sexarbeit durch ein Gesetz.

Jedes Mal, wenn Dir die irrsinnige Behauptung präsentiert wird, dass über 90% der Sexarbeiter leiden und aussteigen wollen, frage einfach nach einem Beleg für diese 90%. Es wird keinen geben, denn niemand kennt solche Zahlen. Es sind schlicht und ergreifend „Annahmen“.

Annahmen reichen nicht für Gesetze. Und schon gar nicht, um alleine die 40.400* Sexarbeiter in Deutschland, die den Termin beim Ordnungsamt, sowie Zwangsgespräche bei der Gesundheitsbehörde über sich ergehen ließen – und somit logischerweise das Einverständnis zum Beruf klar belegt haben – beruflich zu zerstören.

Jedes Mal, wird von Dir eine Zustimmung zu einer Rückführung zu einer sexuellen Kultur, Tradition und Moral eines Deutschlands, was so gar nicht mehr existiert, erwartet.

Sexarbeit im „toleranten“ Deutschland

Das Land ist bereits tolerant gegenüber Sexarbeit. „Das ist ein normaler Job“, höre ich immer wieder.

Wir stehen kurz vor der Verinnerlichung dieses Wertes. Es dauert nicht mehr lange, und ich werde nicht mehr mit 100 Fragen gelöchert, bewundert oder bemitleidet, weil ich Geld mit Sex verdiene.

Jedoch steckt in jedem von uns ein kleiner Sexarbeitsgegner… Du glaubst es nicht? Überlege mal: möchtest Du mich als Lebenspartner mit Berufsangabe deinen Eltern vorstellen? Trotz aller rational-positiven Gedanken, die Du bzgl. meiner Arbeit hast, hast Du grade gezuckt oder?

Natürlich hast Du das – aber warum? Weil wir erzogen wurden zu denken, dass Sexarbeit was Schlechtes ist. Viele haben Sexarbeit nur im Rahmen von Christiane F. kennengelernt und sonst gar nicht.

Langsam aber sicher wird es Eltern tatsächlich egal, ob ein Kind schwul wird oder nicht, und irgendwann werden die Eltern ein ähnliches Verhältnis zur Sexarbeit bekommen.

Wir hatten auch erst wenige Jahre um Dir zu zeigen, dass es uns gut geht, dass wir nicht psychisch krank sind, und nicht konvertiert werden müssen.

Ich wette das kommt schwulen Männern sehr bekannt vor.

Bilder: Thore Rehbach – Bildermacher

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