Click here to read the English version: 01/2020 Power Games – Risky and rewarding
Machtspiele – das ist mit Sicherheit kein neues Thema und tangiert irgendwie jede BDSM Sitzung selbst wenn man sich noch so cool auf Augenhöhe trifft.
Habe ich jemanden gefesselt am Andreaskreuz vor mir hängen, ist er mir eben ausgeliefert, selbst wenn wir die Situation genau abgesprochen haben: Ich kann ab dem Punkt machen was ich will.
Wenn mein kleiner Windeljunge mal wieder bei mir ist, dann hat Daddy eben die Macht ihm im Babykäfig vom eingepullerten Puller mittels abwischen zu befreien, der Rekrut muss sich den Befehlen des Feldwebels beugen…
Oder aber ein spannendes nicht mehr zeitgemäßes Beispiel: Siegfried. Er ist ein Mann bzw. Liebhaber der „alten Schule“ und wir stellen die heute zur Zeiten der Helikoptermuttis nur noch schwer vorstellbare Situation her, dass ich als Herr Lehrer das Sagen habe. Wenn er nicht aufsagt, was ich hören will, dann bekommt er was mit dem Rohrstock auf die Finger oder muss sich mit einer Papiertüte in eine Ecke stellen und der Klasse seinen blanken Arsch zeigen.
Mit militärischen Uniformen habe ich wie erwähnt als Feldwebel mittels Drill die Macht über jede Körperbewegung meines Rekruten und wenn nicht, dann gibts die Stiefel in den Nacken. Als Bizarrdoktor brauche ich i.d.R. nicht mal fesseln, denn der Gott in weiß ist ja zeitlos „allmächtig“.
Machtspiele mit dem Tod
Wilfried bittet immer meinen passiven Kollegen, sich totzustellen. Er trägt ihn dann durch den Raum, beschnuppert ihn und schaut ihm danach ungeniert zwischen die Beine und macht es sich auf seinen schlaff runterhängenden, riesen Dödel. Warum macht Wilfried das? Weil er die vollendete Macht fühlen will, denn „ein Toter“ wird sich nicht wehren.
Machtspiele – Was steckt dahinter?
Aber was ist das Spiel mit der Macht? Was steckt hinter Machtspielen? Warum gibt man freiwillig Macht ab? Eines der größten Klischees ist, dass immer Topmanager bei uns Dominas sind, weil der Topmanager so gern mal Verantwortung abgeben wollen.
Nun das stimmt schon, jedoch kann ich mit größter Sicherheit sagen, dass selbst Arbeitslose oder der Berliner stressbefreite Künstler mit seinem monatlichen, minimalen Gehaltsbezug durch Daddy diesem Bedürfnis „Verantwortung abgeben“ frönen will. Faktisch gehören aber i.d.R. die Besserverdienenden zu unseren Klienten, denn bei einem Standardsatz von 250€/h wird es nun mal schwerer für den Durchschnittsverdiener.
Ich mag daher dieses Topmanager-Klischee nicht, weil es meiner Einschätzung nach auch eher zur Aufwertung der ein oder anderen weniger erfolgreichen Domina dient oder zum Salonfähigmachen unseres Berufsstandes, was allerdings ein guter Effekt ist.
Warum wollen also alle Verantwortung abgeben und genießen Machtspiele? Antwort: weil es eben nicht so leicht ist selbst nach der Arbeit aus diesen Rollen herauszukommen. Der Besuch bei einem dominanten Sexarbeiter verschafft einem Pause, ein Reset der Ereignisse und einen sauberen Reboot.
Ich spüre bei mir und bei meinen Klienten irgendwie immer ein Ventil, das geöffnet wurde. Endlich mal weg von dem ganzen Entscheidungen-treffen, Umfeld-sortieren und Priorisieren. Mal nicht „aus sich heraus etwas erstellen“, sondern „von Außen etwas in sich entstehen lassen“. Unsere Kunden eint, dass es alle samt starke Menschen sind. Jemand, der in seinem Leben viel rumgeschubst wird, ständig in irgendwelche Opferrollen verfällt ist eigentlich niemals bei uns.
Ich würde eher sagen: Schwache mögen keine Machtspiele.
„Schwache mögen keine Machtspiele“
Was ist mit der aktiven Seite? Sind wir dominanten schlussfolgernd die Schwachen? Antwort: nein. Mir begegnen bei beiden Geschlechtern in der dominanten Sexarbeit immer nur starke Menschen. Das ist auch notwendig, weil wir uns auch abgrenzen müssen.
Wahrscheinlich wundert es niemanden wirklich, wenn ich erzähle, dass ich auch einige Kolleginnen sowie Kollegen als Kundinnen bzw. Kunden habe. Ich sehe das auch somit als Beleg dafür, dass grade wir „gewerblichen Dominanten“ uns der Spiele mit der Macht und Ohnmacht sehr bewusst sind.
Es ist vergleichsweise wie bei den Psychologen. Onkel Rudi (Gott hab ihn selig) hat immer gesagt: „Die Psychologen sind alle selber bekloppt, denn die haben alle selber wieder einen Psychologen, der sie wieder therapieren muss“.
Ich war in meinem jungen Jahren geneigt dieser Logik zu folgen. Ist natürlich Quatsch, denn ein guter Psychologe ist sich seiner eigenen psychischen Konstruktion bewusst und wird eher einen anderen Psychologen aufsuchen um objektiv und effektiv an eigenen Fragen arbeiten zu können. Weil mein letzte partnerschaftliche Trennung so plötzlich kam und schlecht ablief, war ich auch bei einer Psychologin. Die hatte da schon ganz gut aufgeräumt. Interessanterweise sind auch viele Psychologen wiederum Kunden bei mir. Hier sind immer ganz tolle Mindgames umsetzbar.
Wenn der Psychologe sich seiner emotionalen Stärken und Schwächen bewusst ist, kann er auch damit sexuell spielen und die positiven Effekte dieser Spiele genießen.
So ist es bei uns Sexarbeitern auch, denn uns ist durch die intensive Praxis jede einzelne sexuell basierende Emotion bewusst. Oder wir erfahren durch Klienten wieder neue Ideen und nehmen diese für uns auf.
Für sexuelle Menschen sind diese neuen Ideen wie ein Spaziergang in einem schönen Garten, im Gegensatz zu diesen puritanischen Birkenstock-Hühnern, die derzeit wieder gegen Prostitution demonstrieren. Da gibts eben nur denn Sonntags?ck, wenn der Kerl brav den Müll runtergebracht hat.
Wenn man sich seiner emotionalen Stärken und Schwächen bewusst ist, kann man auch damit sexuell spielen und die positiven Effekte dieser Spiele genießen.
Freiheit durch Machtspiele
Aber ich schweife ab – zurück zur Macht und Ohnmacht. Zurück zum Thema Machspiele. Welche Effekte geniessen Wilfried und ich?
Nun, trotz „Beauftragung des Klienten“ habe ich immer ein großes Spielfeld auf dem ich mich ausbreiten kann. Ich genieße es, dass irgendwann ab dem Machtwechsel der Raum sich mit meinem sexuellen Ich füllt, meine Gedanken umgesetzt werden, meine Wünsche im Fokus stehen. Ich fühle mich frei. Ja, ich fühle mich frei, wenn der Andere gefesselt ist.