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04/2023 Interview Zeitschrift Schwulissimo zu Sexarbeit & BDSM

„Sexarbeit und der vermeintlich schlechte Ruf des BDSM in der LGBTI*-Community“ wird veröffentlicht 05/2023 im Magazin Schwulissimo. Das ist der Mitschnitt des Interviews. – Read this post in English.

Sexarbeit und der vermeintlich schlechte Ruf des BDSM in der LGBTI*-Community

Zuletzt wurde bekannt, dass Sexarbeiter-Profile auf Twitter nach vermeintlich unerlaubten oder nicht jugendfreien Bildern durchsucht werden. Bewertest du das als Angriff?

Als Sexarbeitende erleben wir gerade im Netz oftmals regelrechte Hexenjagden, das ist leider nichts Neues. Es ist nicht nur Twitter – immer wieder werden wir gezielt von verschiedenen Plattformen weggeekelt. Paypal sperrt Konten, Airbnb vermietet nicht an uns, Werbung bei Facebook oder YouTube ist unmöglich, Online-Zahlungsdienste meiden uns wie die Pest. 

Es geht dabei nicht um irgendeinen „Schutz“, sondern um die Durchsetzung einer größtenteils amerikanischen Prüderie. Die Angst vor jeglicher Art von sexuellem Ausdruck, die berühmte weibliche Brustwarze auf Facebook. Es gibt bereits in Deutschland Bestimmungen, ab wann etwas Pornographie ist, wie steif darf der Schwanz sein, wie ist der Winkel und der Steigungsgrad etc. Danach kann man sich ja richten, auch wenn die Bestimmungen schon sehr streng sind. Wir vom Verband wünschen uns generell mehr Offenheit und freuen uns, dass hier Bewegung zu verzeichnen ist (z.B. darf man mittlerweile Bondagebilder veröffentlichen – sogar wenn der Po, (Sünde aller Sünden;-), im Bildzentrum ist, ist es keine Pornographie mehr). 

Dass es beim Prüderie-Wettbewerb uns Sexarbeiter*innen am härtesten trifft, liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass wir gezwungenermaßen sichtbarer sind als die anonyme Masse. Wir haben eine Impressumspflicht und sind relativ leicht zu finden, während Privatmenschen schwerer zu fassen sind. Für uns ist das nicht nur geschäftsschädigend, sondern auch diskriminierend.

Sogar der Joyclub – wahrscheinlich die prominenteste Swingerwebsite in Deutschland –  hat uns vor einigen Jahren geschlossen rausgeworfen, damals mit der Erklärung, dass „käufliche Lust zweifelhafte Nebeneffekte mit sich bringt“. Auf mich wirkt das wie eine Ausgeburt der Nordischen-Modell-Fraktion: Verbieten und wegsehen, statt differenzieren und reale Lösungen finden.

Gleichzeitig machen es die Schwulen übrigens wieder mal vor, dass es durchaus möglich ist private und kommerzielle Sexualität friedlich nebeneinander existieren zu lassen. HUNQZ und ROMEO sind deutlich voneinander abgegrenzt und gleichzeitig für alle zusammen nutzbar. Es gibt ausreichend Regeln, die den Missbrauch unterbinden (z.B. kann ein Sexarbeitender nicht mal eben schnell alle Romeo-Profile durchklicken und wahllos Besuchertapsen hinterlassen, um auf seine Dienstleistung aufmerksam zu machen). Aber trotzdem können alle Profile, egal ob Sexarbeit oder privat, miteinander kommunizieren. 

Das Image der Sexarbeit ist allgemein eher negativ. Wie blickst du auf Diskussionen wie jene, dass Deutschland der „Puff“ Europas ist?

Ich weiß, dass „Puff Europas“ unheimlich provokant klingen soll, aber was spricht eigentlich dagegen? Wahrscheinlich haben wir als einwohnerstärkstes Land auch die meisten Eisdielen und sind „Eisdiele Europas“. Menschen kommen hierher um hier zu arbeiten. Man geht dahin, wo es erlaubt ist – geht ja nicht anders, wenn es in so vielen Ländern durch die Illegalisierung viel schwieriger ist zu arbeiten. Und Deutschland ist reich, die Menschen wissen, dass man hier gut verdienen kann. Deutsche Sexarbeitende würden auch nicht nach Bulgarien gehen um mehr zu verdienen, sondern eher in die Schweiz oder nach Dubai. 

Migration ist in allen anderen Branchen begrüßenswert – aber hinter der Formulierung „Puff Europas“ verbirgt sich wenig überraschend die wabernde Idee von Kriminalität und Menschenhandel. Genau deshalb müssen wir legale Sexarbeit unterstützen, die Arbeitsbedingungen verbessern und dürfen nicht aufhören, uns für mehr Rechte einzusetzen. 

Feministinnen fordern immer wieder Sexkauf zu verbieten, zuletzt die Frauenorganisation der SPD. Zahlreiche Organisationen sprechen sich vehement gegen Verbote aus. Warum ist das „Nordische Modell“ falsch und warum diskutieren wir in Deutschland trotzdem weiter darüber?

Sexkaufverbote sind kontraproduktiv, im dem Sinne, dass sie einerseits keine Veränderung an Missständen in der Sexarbeit bewirken und andererseits für mehr Missstände sorgen. Das ist keine persönliche Meinung, sondern verifizierbarer Fakt. In Ländern, die den Kauf von sexuellen Dienstleistungen kriminalisieren, findet weder weniger Sexarbeit statt, noch werden Menschenhandel oder sexuelle Ausbeutung reduziert. 

Für Sexarbeitende hat ein solches Verbot im Gegensatz einschneidende und dramatische Auswirkungen: Unsere Arbeit wird gefährlicher, das Risiko sexueller Ausbeutung oder Menschenhandel zum Opfer zu fallen steigt, die Menschen sind für Hilfsangebote weniger gut zu erreichen. Und die Betroffenen leiden unter massiver gesellschaftlicher Stigmatisierung, die echte Auswirkungen hat – nicht nur auf unseren Geldbeutel, sondern auch auf unsere Rechte als Bürger*innen. 

Zum Punkt, warum immer wieder diskutiert wird, hat unsere politische Sprecherin Johanna Weber zuletzt wieder mal etwas geschrieben. Leider stehen sich in dieser Diskussion, vor allem in der Öffentlichkeit, zwei unversöhnliche Seiten gegenüber. 

Kurz gesagt: Beide Seiten setzen sich gegen Missstände in der Sexarbeit und gegen missbräuchliche Verhältnisse ein. Aber was Lösungsansätze anbelangt, scheiden sich die Geister völlig. 

Die Menschen, die Sexarbeit generell als missbräuchlich wahrnehmen, setzen sich für Sexkaufverbote, Hilfe und Unterstützung beim Ausstieg und gesellschaftliche Ächtung des Gewerbes ein. Die Menschen, die Sexarbeit generell als Arbeit wahrnehmen, setzen sich für mehr Rechte und berufliche Gleichstellung, gesellschaftliche Entstigmatisierung des Gewerbes und Empowerment ein. 

Sexarbeit in Abgrenzung zu Zwangsprostitution

Eine Person, die immer wieder polarisiert, ist die ehemalige Sexarbeiterin Huschke Mau. Wie groß schätzt du das Problem Zwangsprostitution bzw. „Ausnutzung“ ein, ist es Regel oder Einzelfall? 

Huschke Mau gehört zu den eben erwähnten Menschen, die Sexarbeit generell als missbräuchlich wahrnehmen – ihr langfristiges Ziel ist die Ächtung und Abschaffung der Branche. Jedes Argument das im Gegenteil auf die Verbesserung der Branche abzielt, wird dort logischerweise ins Leere laufen. 

Was mich wütend macht ist, dass viele Sexarbeits-Gegner*innen bestimmte Aussagen geradezu mantraartig in der Öffentlichkeit wiederholen, obwohl diese längst als nicht korrekt entlarvt wurden. Ein Beispiel ist: „9 von 10 Prostituierten wollen aufhören“. Dabei gibt es bis heute keinerlei belegbaren Zahlen zur Gesamtzahl der Sexarbeitenden. Daher kann es nicht stimmen und ist reine Propaganda zum Durchsetzen ihres Ziels, frei nach Göbbels: Wenn man eine Lüge nur oft genug wiederholt, dann wird sie schon zur Wahrheit. 

Du selbst hast gesagt, dass das illegale Geschäft im schwulen Sektor vor allem familiäre Migrationsprostitution ist. Kannst du nachvollziehen, dass hier Kritik laut wird, so etwas zu unterbinden? 

Natürlich, Minderjährigkeit geht gar nicht. Die Frage ist wieder mal, wie erreichen wir Verbesserungen am sinnvollsten? Sexueller Missbrauch und Ausbeutung sind bereits verboten. Auf den Missbrauch und die Ausbeutung von Minderjährigen stehen strenge Strafen. 

Wenn man an der Realität merkt, dass Verbote hier nichts helfen, inwiefern soll ein weiteres „unterbinden“, den Jungs weiterhelfen, die sich oft selbst gar nicht als Opfer wahrnehmen? Niedrigschwellige Beratungsangebote, Sozialarbeiter*innen die auf die Straße gehen und langfristig Vertrauen aufbauen, immer wieder Unterstützung anbieten, empowern – das sind reale Hilfsmaßnahmen, die viel mehr finanzielle Unterstützung erfahren sollten. 

Ich denke mir, die machen das nicht ganz freiwillig und sind oftmals nicht einmal wirklich schwul. Oder sehe ich das falsch? 

Klar kann da familiärer Druck oder sonstiges dahinter stehen. Von außen ist da ganz schwer ranzukommen, siehe vorherige Frage. 

Was „nicht wirklich schwul“ angeht, und da beziehe ich mich jetzt auf erwachsene Sexarbeiter, da gibt es unterschiedliche Praktiken, die über diese Schwierigkeiten hinweghelfen. Dazu beziehe ich mich in einer Frage weiter unten noch genauer.

Von Kritikern wird bestritten, dass Menschen freiwillig in der Sexarbeit arbeiten – man spricht von „verwirrten Einzelfällen“. Wie sieht deine Einschätzung aus, wie viel Prozent arbeiten freiwillig, wie viele nicht? 

Ja, die verwirrten Einzelfälle kommen immer wieder zur Sprache. Sexarbeitende, die sagen, dass sie den Job freiwillig machen, werden entweder als Lügner, als besonders traumatisiert, als naiv oder als Mit-Profiteure abgehakt. 

Nicht falsch verstehen, ein Happy Hooker, der voll in seiner Arbeit aufgeht wie ich, ist jetzt auch nicht die Regel. Die Hauptmotivation der meisten Leute für ihren Job ist schlicht, dass sie damit ihr Geld in einer kapitalistischen Gesellschaft verdienen, das ist bei Sexarbeiter*innen nicht anders. 

Wie bereits gesagt gibt es keine belegbaren Zahlen für die Gesamtanzahl von Sexarbeitenden. Bei zahlenmäßigen Aussagen muss man immer bedenken, dass es große Unterschiede in der Definition von Freiwilligkeit gibt, gerade wenn Sexarbeit betrachtet wird – siehe Kapitalismus. Und es fällt auch schwer zu sagen, ab welchem Zeitpunkt jemand als Sexworker gilt. Viele hauptberufliche Sexworker melden sich aus Angst vor Repressionen nicht offiziell an, viele arbeiten nebenberuflich oder ab und zu. 

Schwule Sexarbeit

Wie freiwillig schätzt du die Arbeitslage bei schwulen Sexarbeitern ein? Und wie blicken schwule Sexarbeiter auf die aktuelle Lage?

Ja, in der mann-männlichen Sexarbeit gab es laut einer Auswertung von HUNQZ einen unverhältnismäßig starken Anstieg an Profilen – gemessen an den Vorjahren. Gerade bei den schwulen Portalen gibt es aber viele Hobbyprofile von Männern, die sich zwischendurch was dazuverdienen, aber sich vermutlich nicht alle als Sexarbeiter bezeichnen würden oder die, die ein solches Profil anlegen, um aus der Rolle lediglich einen Lustgewinn zu ziehen, aber eigentlich keine wirklichen Einkünfte erzielen. 

Ich glaube die aktuelle Lage zeigt jedoch, dass Sexarbeit noch immer besonders dann an Bedeutung gewinnt, wenn sich Krisen anbahnen. Und Sexarbeit ist eben eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Bedenklich finde ich, dass es durch die Pandemie und die Verbote einen Trend hin zur Vereinzelung gegeben hat – das verschlechtert natürlich auch die generelle Erreichbarkeit hinsichtlich Beratung, Schutz und Aufklärung.

Ich stelle mir schwule Sexarbeit als besonders schwierig vor. Naiv gefragt, wie können Sexarbeiter immer „ihren Mann stehen“? 

Die Grenzen sind da viel fließender als wir oft denken, es fällt auch den härtesten Schwulen nicht so schwer einen weiblichen Busen anzufassen. Wie Magnus Hirschfeld schon gesagt hat, ist die reine Homo-, bzw. Heterosexualität ein Extrem, das recht selten ist. Wenn wir in uns reinhören, wissen wir das, wir passen uns nur ständig der Einfachheit halber an und sortieren uns für die Außenwelt ein. 

Darüber hinaus geht es in der schwulen Sexarbeit auch nicht immer um die klassische Penetration. BDSM- und Fetisch-Praktiken sind sehr verbreitet, Füße lecken, an Unterhosen riechen dürfen, Findom…  Es werden dann auch mal gerne Pornos mit Frauen eingelegt oder am Handy geguckt, während auf der anderen Seite des Glory Holes zur Tat geschritten wird. Viele professionelle Sexarbeitende haben auch eine enorm hohe erotische Vorstellungskraft und können dann darüber Erregung erzeugen. Zu guter Letzt, das muss man ganz offen sagen, gibt es auch Viagra. 

Kritiker sagen, Sexarbeit „verletze“ innerlich. Wie sieht du das? 

Ich finde in dieser Frage hat die Meinung von Menschen, die den Job machen mehr Gewicht, als von Leuten, die sich das nur gruselnd vorstellen. Menschen für die Sex ausschließlich eine intime Angelegenheit zwischen zwei Liebenden im Schlafzimmer sein darf, oder die in der Sexualität nicht zwischen Privat und Beruf trennen können, sollten kommerzielle Sexualität natürlich meiden – dass es ansonsten zu psychischen Verletzungen kommen kann ist ja klar. 

Dieses subjektive Gefühl „Aber ich könnte das nie“ auf Menschen zu projizieren, die das anders sehen, erscheint mir seltsam. Ja, Sexarbeit ist keine Tätigkeit für jeden oder jede – für manche ist es geeignet, für andere gar nicht, egal ob es sich dabei um den Traumjob oder die bestmögliche verfügbare Option handelt. 

Das gilt auch für andere Berufe und Tätigkeiten. Ob die jetzt besonders niedrigschwellig sind, wie die Arbeit am Bau oder Spargelstechen, oder ob es solche mit hoher Emotionsarbeit sind, zum Beispiel Pfleger im Hospiz oder die Arbeit mit psychisch kranken Menschen. 

Mich persönlich würde Arbeiten am Bau – harte körperliche Arbeit, draußen bei Regen, rauer Umgangston – psychisch total fertigmachen, auch wenn ich es evtl. körperlich noch hinbekommen würde. Da vögele ich hundertmal lieber auch mal jemanden, den ich nicht so toll finde und denk es mir schön. 

Die rechtliche Lage von Sexarbeitern in Europa ist schwierig. An was mangelt es Sexarbeiterbewegung am meisten? 

Es fehlt an einer Lobby. Wenn man die Vertretungen von Sexworkern – hetero und queer – mit z.B. dem LSVD (= Lesben und Schwulen Verband Deutschland) mit fast 5000 Mitgliedern vergleicht, wundert es nicht, dass eher Fußballstadien regenbogenfarben leuchten, als dass ein roter Regenschirm an das Brandenburger Tor projiziert wird.
Jemanden „Schwuchtel“ zu nennen ist offiziell diskriminierend, „Du dreckige Hure“ nicht. Übrigens hat sich der LSVD gerade ganz aktuell pro Sexarbeit positioniert – es bleibt also zu hoffen, dass sich die Zeiten ändern und die Anliegen von Sexarbeitern ernster genommen werden. 

Sexarbeit in der Fetisch-Szene

Manchmal ist der Blick auf die Fetisch-Szene noch immer ein herablassender – von außer-  aber auch innerhalb der LGBTI*-Community. Was sagst du dazu?

Ich wünsche mir, dass wir lernen, innerhalb der LGBTI*-Community toleranter zueinander zu sein. Dieser Drang möglichst dem Mainstream zu entsprechen und dabei andere pervers zu nennen, zeugt nur davon, dass Mama und Papa noch in unseren Köpfen sind. 

Frei nach dem Motto: Wenn ich meine Eltern schon nicht mit meiner sexuellen Ausrichtung oder geschlechtlichen Identifikation glücklich machen kann, dann muss meine Sexualität aber unbedingt dezent im Schlafzimmer stattfinden. Also „Straight Acting“ im Einfamilienhaus mit weißem Gartenzaun, 1.7 Kindern und einem Hund Marke: Golden Retriever. 

Dieses reflexartige Shaming kennen wir ja auch bei schwulen Männern, die sich etwas weiblicher geben. Da fragt sich der Hater in uns: Warum zahlt der nicht den Preis, den ich zahlen musste, um akzeptiert zu werden? 

Worin liegt für dich das Besondere im Spiel zwischen Dominanz und Unterwerfung?

In einer meiner Kolumnen habe ich mal geschrieben, dass wir uns mithilfe von BDSM selbst in ganz anderer Form spüren können. Temporär ein wenig an der Fassade zu kratzen und gesellschaftliche Normen ablegen zu können, kann erotisch und befreiend sein, sogar eine kathartische Wirkung haben. 

In einem Spiel mit Machtgefälle kann sowohl der dominante als auch der submissive Part total aufgehen – man kann loslassen, Dinge tun und sagen und fühlen, die im Alltag nicht möglich sind. 

Was steckt dahinter, wenn Du heterosexuelle Kerle als Kunden hast, die sich von dir dominieren lassen wollen? 

Wenn Heteromänner zu mir kommen, kann alles mögliche dahinter stecken. Homoerotische Phantasien, die ansonsten nicht ausgelebt werden. Der Wunsch nach einer Tracht Prügel von einem Kerl, mit oder ohne erotischen Kontext. Oder auch der Wunsch nach Demütigung, indem man explizit von jemanden, den man nicht sexuell begehrt, vorgeführt oder sexuell benutzt wird. 

Manche in der Community setzen sich dafür ein, dass Fetische gleichberechtigt existieren dürfen. Andere wünschen sich, dass das Thema ein Stück weit verrucht bleibt. Deine Einschätzung dazu? 

Da muss ich natürlich schmunzeln, denn mir ist durchaus bewusst, dass wenn ein Tabu wegfällt, das Spiel mit diesem Tabu mit der Zeit oft weniger verbreitet wird. Zum Beispiel wird das früher so beliebte Lehrer/Schüler-Spiel in Domina-Studios nicht mehr so oft beziehungsweise eher von älteren Kund*innen bestellt, die als Kinder im Internat oder Schule noch körperlich bestraft wurden. Heute ist der Lehrer nicht mehr so die Respektsperson wie früher. 

Gesamtgesellschaftlich gesehen ist der Ruf von Verruchtheit dem BDSM / Fetisch gegenüber für mich aber eine Form der Abwertung. Und der Abbau von Abwertung hat für mich immer höhere Priorität als der aus meiner Sicht einfach zu verkraftende mögliche Verlust eines Extra-Kicks. Der Reiz des Spiels bleibt und was für den Einzelnen besonders berührend oder schambesetzt ist und dann erotisiert wird, ist sowieso sehr individuell.  

Fetisch ist auch in der Community immer wieder in der Kritik, beispielsweise wenn die Pride-Saison startet. Deine Meinung dazu?

Ich finde wir können sogar stolz darauf sein, dass wir der Heterowelt in dieser Angelegenheit ein paar Schritte voraus sind.

LGBTI* Menschen mussten lange um die Daseinsberechtigung ihrer Sexualität kämpfen und haben ihre Sexualität in der Regel auch stärker reflektiert – klar, dass wir uns unserer BDSM- und Fetisch-Bedürfnisse deshalb oft bewusster sind als der Mainstream. Das ist kein Grund zur Scham sondern zum Feiern. 

Ich kann mir vorstellen, dass so manche schwulen Jungs von einem schnellen Nebenverdienst träumen. Was würdest du Männern raten, die diesen Schritt ernsthaft in Erwägung ziehen, gibt es aus deiner Sicht Gefahren, die man beachten muss?

Gerade in der Berliner Schwulenszene ist Chemsex mit Tina, Koks, GHB und Co sehr verbreitet – was ich da an Jungs habe kommen und gehen sehen…? Ich kann Anfängern nur empfehlen, Abhängigkeiten in jeder Form zu vermeiden – sowohl zu Substanzen als auch zu einzelnen Personen, Stichwort Sugardaddy. Neben Sicherheit und Vorsicht für den eigenen Körper ist es wichtig auf die emotionale Gesundheit zu achten. Das beginnt damit die eigenen Grenzen wahrzunehmen und dann zu lernen, wie man sie wahrt.

Du hast mir erzählt, dass immer mehr Kunden gerne ein sexuelles Erlebnis mit queeren Personen haben wollen. Sind die heterosexuellen Kunden plötzlich liberaler unterwegs, als in der Öffentlichkeit?

Nein, Sexualität war immer schon vielschichtig, genauso wie Geschlechtsidentität. Heute ist es uns dank größerer Sichtbarkeit nur bewusster, dass die Welt gar nicht so heteronormativ ist, wie es sich manche Konservative wünschen. Die Angebote waren auch nicht immer so greifbar, das Internet macht’s möglich. 

Abschließende Worte

Was würdest du dir generell mit Blick auf die Gesellschaft wünschen, wenn du an Sexarbeit in Deutschland denkst?

Ich wünsche mir generell mehr Toleranz rund um das Thema sexuelle Dienstleistungen kaufen und verkaufen. Und mehr Interesse an realistischen Ansätzen und Reden mit Betroffenen, statt Empörungs-Performance. Es braucht eine Entemotionalisierung der Diskussion. 

Es stimmt, dass in unserer Branche oft schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, das sieht in anderen Branchen mit so großer Arbeitsmigration nicht anders aus. Wir müssen uns als Gesellschaft der Herausforderung stellen, eine Konsens-Sensibilität zu entwickeln. Also gezielt überprüfen, ob Straftaten vorliegen, oder eben die Arbeitsverhältnisse schlecht sind, aber und nicht plumpe Verbote und Unsichtbarmachen von Missständen.  Und das, was Menschenrechtsorganisationen, Anti-Menschenhandel-Verbände, Wissenschaftler*innen und Sexworker selbst seit Jahren predigen: Den Zugang zu mehr Rechten und dadurch die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen.

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