Sexworker bitte draußen bleiben? Schockierende Diskriminierung aus den eigenen Reihen zum diesjährigen Folsom Straßenfest.
Ich bin es gewohnt, aufgrund meines Berufes abfällig behandelt zu werden. Wenn ich zum Beispiel eine Immobilie suche, für einen Arbeitsplatz, wenn ich nach einem Kredit frage, oder wenn ich beim Arzt sage, was ich beruflich mache.
Wenn ich Glück habe, kommt dann ein kurzes „Aha“, aber eben auch häufig deutliche Verachtung.
Dass ich jedoch von einem Stadtfest, welches sich Inklusion auf die Fahnen schreibt und sogar auf der eigenen Homepage „Sexwork is work“ schreibt (!), lupenrein diskriminiert werde, verblüfft sogar noch mich.
Eine Chronologie der Geschehnisse:
Seit zehn Jahren besuche ich regelmäßig die Folsom. Manchmal kam ich aufgrund von Einladungen der Zeitschriften, für die ich geschrieben habe, an deren Stand, oder sogar auch an den VIP-Stand der Folsom.
Dieses Jahr wollte ich meinen eigenen Stand, gemeinsam mit zwei Kooperationspartnern. Wir wollten dazu eine beachtliche Fläche anmieten, wobei ein Kooperationspartner bereits eine Fläche für sich beantragt hatte, die dann später in unserem Dreier-Verbund aufgegangen wäre.
Ich hatte schon von meinem neuen Banner geträumt – 2×6 Meter groß – und mich darauf gefreut, dass ich mein altes „Mini-Banner“ aus früheren Jahren fein zu Hause lassen kann.
Dann der erste Stein im Weg: Mir wurde die Anmietung eines eigenen Standes von der Folsom verwehrt.
Die Begründung: Dieses Jahr müsse man besonders viel Rücksicht auf den Jugendschutz nehmen und da dürfe man nicht „Prostitution bewerben“. Es gäbe eine „entsprechende Auflage der Stadt“. In einem Gespräch im Rathaus wurde Zitat: „der Passus mit dem Bewerben von Prostitution extra noch erwähnt.“
Nun, auf meinen Flyern und meinem Poster steht ja nur „der dominus“ und sonst nichts. Keine Preislisten, Angebote, Stellungsvorschläge oder sonst was.
Deshalb habe ich mir gedacht: „Das ist zwar sicher nicht im Sinne des Erfinders einer solchen Auflage gewesen (falls es diese überhaupt gibt), denn selbst den schärfsten Jugendschützer werde ich nicht stören.“
Und eigentlich kommen die meisten Sexarbeitenden ohne direkte Darstellung der Tätigkeit gut aus, denn wir wollen ja Fantasie ansprechen.
Aber egal, stelle ich mich einfach wie sonst auch immer zu einem Stand dazu.
Ich brauche eh nicht viel Platz und da ich kein offizieller Aussteller bin, sondern einfach nur „vor Ort“, kann niemand irgendwas sagen.
Denn es wird ja niemanden wirklich stören, wenn ich dort als sexarbeitender Dominus stehe. Wo liegt die Gefahr, wenn ich durch die Folsom Kontakte knüpfe für mein Geschäft? Und für wen besteht hier überhaupt Gefahr? Ich teile meinen Followern per E-Mail mit, dass ich nun doch am Stand des ursprünglich geplanten Kooperationspartners zu finden bin.
Die Folsom reagiert innerhalb weniger Stunden. Schnell, wütend und drohend:
Zitat:
„…dass alles, was auch nur irgendwie mit Prostitution in Zusammenhang steht nicht Teil des Straßenfests sein kann…“.
Zudem wurde mein Kooperationspartner angeschrieben (Zitat) „…und auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Wenn Sie sich nicht daran halten, müssen wir ihren Stand schliessen.“
Wow, was für ein fieses Ausgrenzen.
Ausgrenzen nach Rechtslage oder nach eigenem Ermessen?
Es ist mir also ebenfalls verboten worden, mich (auch ohne dominus-Werbematerial) an den Stand dazuzustellen und die FOLSOM, sollte ich es doch machen, würde den Stand dort schließen.
Ich frage: Gilt das für alle Stände? Da sehe ich nämlich ständig Sexarbeitende, die als Standpersonal, so wie ich, als Aushängeschild genutzt werden.
Wenn ich nun meinen Followern mitteile, dass ich am Stand von der großen Bar „Prinzknecht“ stehe, ist das dann in Ordnung oder werdet ihr die dann auch anschreiben und denen mit Schließung drohen, wenn ich dann dort stehe?
Wurde überhaupt bei der Stadt nachgefragt, ob sie tatsächlich explizit mich da nicht haben wollen?
Ich hätte es an deren Stelle übrigens gemacht, denn mit meiner sowie der Standmiete des zweiten Kooperationspartners wären ja noch ein fetter vierstelliger Betrag mehr in die Folsom-Vereinskasse gegangen.
Ich frage auch, ob man mir den Passus denn mal zeigen könnte, der die FOLSOM in puncto Sexarbeit offensichtlich zwingt, mich so auszuschließen.
Ich bekomme vom neu gewählten Vorstand zwar umgehend eine E-Mail, aber ohne Antworten auf meine Fragen.
Es wird erneut auf die „Rechtslage“ verwiesen, die man nicht teile, aber an die man sich halten müsse.
Zudem wisse man genau, dass ich noch nie auf der Folsom mit meinem kleinen Roll-Up-Banner vertreten gewesen sei.
Ich frage beim Bezirksamt konkret nach: gibt es eine solche Auflage und wenn ja, wie ist sie zu verstehen? Die Antwort lässt mich schmunzeln:
„Wir haben keine Auflage [keine Förderung der Prostitution] in unserer Erlaubnis für den Folsom Europe erteilt.“, und „Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Behörde diese erteilt hat.“
Was macht die Folsom, als ich sie mit dieser Aussage konfrontiere? Ja, genau – sie rudern zurück und schreiben: „Wir haben auch nie gesagt, dass es eine konkrete, schriftliche Auflage einer Behörde gibt.“
Oh doch, und zwar mehrfach!
Also ist es nicht die Rechtslage, der gefolgt wird, sondern diese Ausgrenzung lag einfach im Ermessen der Folsom, wie eine „ordentliche Veranstaltung“ abzulaufen hat.
Und zu einer ordentlichen Veranstaltung gehören eben keine Nutten. Der männliche und weibliche Straßenstrich ist in Berlin übrigens sichtbar und gar nicht weit weg.
Es ist echt faszinierend, dass jedes Mal, wenn im sexuellen Bereich aufgeräumt werden soll, man zuerst mit den Nutten anfängt.
Insbesondere bei einem solchen Straßenfest, wo so viel und offen Sexualität zu sehen ist (was ich persönlich ganz großartig finde und jahrelang unterstützt habe), ist es nicht im Ansatz nachvollziehbar, warum die Folsom das Exempel der Sittlichkeit dann ausgerechnet bei der Sexarbeit setzt.
Vor allem dann nicht, wenn Sexarbeit in einem solchen Kontext wie der Folsom sowieso nahezu unsichtbar ist. Aber mit den Nutten kann man es ja machen – sind ja nur ein paar und eigentlich eh nur einer, der so offen darüber spricht.
Ich komme nicht zum Folsom Straßenfest
Warum ich nun gar nicht gehe, ist ganz leicht gesagt:
Wenn ich zwar (offiziell) als Privatperson eingeladen bin, aber Zitat „meine Visitenkarten zu Hause lassen soll“, dann fühlt sich das ein bisschen so an wie früher zur Jahrtausendwende, als ich auf Firmenevents gebeten wurde, eine Frau mitzubringen, damit „man nicht so sieht, dass ich auf Männer stehe“.
Und es ist leider auch so, wie Fetisch-Leute auf einem CSD auch stetig gebeten werden, sich „optisch anzupassen“ und nicht z.B. mit Hundemasken umherzulaufen, damit man bitte „nur leicht von der Norm“ abweicht.
Soll ich mich jetzt umsehen, wenn ich meine Visitenkarte herausgebe? Soll ich den Stand des Kooperationspartners meiden, damit er nicht Gefahr läuft, geschlossen zu werden?
Da mache ich nicht mit und werde sicher nicht eine solche Diskriminierung auch noch unterstützen, indem ich mitspiele.
Die Folsom hat mir ein Gesprächsangebot gemacht, um das Thema in Ruhe zu besprechen – natürlich nach dem Straßenfest. Darauf werde ich zurückkommen.
Und dann sprechen wir über Diskriminierung. Ich werde euch dann erklären, dass Sexarbeit demnächst ins allgemeine Gleichstellungsgesetz kommt. Dieses Gesetz sorgt unter anderem dafür, dass z.B. ein Arbeitgeber heute nicht sagen kann: „…weil du schwul bist, gebe ich dir keine Stelle.“
Das bedeutet in Zukunft, dass mir niemand einen Stand, eine Anzeige o.ä. verwehren darf, nur weil ich Sexarbeiter bin. Dann könnte ich diesen Verein sogar verklagen.
Und das ist gut so.