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07/2023 Im Gespräch mit dem Stern

der dominus im Gespräch mit dem Stern

Hier der Text des Interviews:

„Eine aktuelle Analyse zeigt, dass es in Deutschland ungefähr 1000 männliche Sexarbeiter gibt. Wenn ich jetzt als Frau Lust habe, einmal Sex mit einem männlichen Prostituierten zu haben, wie finde ich einen passenden Mann? Auf was sollte man achten?

Für BDSM Spiele empfehle ich eher Männer, die in einem Studio arbeiten. Das ist schon mal ein gutes Signal. Weil die Studios in der Regel schon sehr darauf achten, an wen sie vermieten und da auch einen eigenen Anspruch haben. Und dann würde ich mir einfach mal die Webseite des Anbieters ansehen. Da sieht man schon, ob sich jemand Mühe gibt oder nicht. Wenn da nur ein schlechtes Selfie im eigenen Bad zu sehen ist und zwei, drei Sätze, würde ich lieber die Finger davon lassen.

Wie viel kostet denn eine Session?

Es kommt natürlich darauf an, was man will. Wenn es jetzt nur um reinen Sex geht, dann liegt der Preis meistens zwischen 150 und 300 Euro pro Stunde. BDSM-Sessions sind jedoch teurer, da sie aufwendiger sind und man schon eine gewisse Expertise benötigt.

Du arbeitest bereits seit zehn Jahren als Sexarbeiter im BDSM-Bereich als Dominus. Kannst du kurz erklären, was BDSM ist.

Das ist ein Sammelbegriff, der viele Praktiken einschließt wie zum Beispiel Bondage- und Schmerzspiele, Dominanz, Erniedrigung und Unterwerfung. Das alles findet im sexuellen Kontext statt, auch wenn es nicht unbedingt zu Sex kommen muss. Beim Spielen gibt es immer einen dominanten (Dom) und einen devoten Part (Sub).

Welche Gefühle löst du bei deinen Klient:innen aus, wenn sie sich dir unterwerfen?

Aus meiner Sicht machen sie eine ganz neue Selbsterfahrung. Sie fühlen sich befreit, losgelöst und spüren sich selbst sehr intensiv.

Und welche Spielarten bietest du an?

Ich bespiele eigentliche die gesamte Partitur von soft bis hart. Von sanftem Sado-Maso mit Kerzenlicht und dominanten Tönen, über ein kraftvolles Forte mit Bondage und körperlicher Züchtigung bis hin zur extremen Folter an der Grenze des Ertragbaren.

Gibt es auch Dinge, die du nicht machst? Wo sind deine Grenzen?

Was ich zum Beispiel nicht mag, sind Vergewaltigungsspiele oder Wrestling. Dafür bin ich nicht zu haben.

Kommen mehr Frauen oder Männer zu dir?

Wenn man als Mann in die Sexarbeit geht, kann man davon ausgehen, dass zuerst Männer als Kunden reagieren, selbst wenn man sagt, dass man ausschließlich heterosexuell ist. Bei mir hat es vier, fünf Jahre gedauert, bis die erste Frau zu mir kam. Mittlerweile sind ungefähr 80 Prozent meiner Klienten Frauen.

Warum so viele Frauen?

Ich denke, das liegt daran, dass ich ein erfahrener, etwas reiferer Mann bin mit einem Daddy-Image. Ich kann auch gut in die „Fifty-Shades-of-Grey“-Rolle schlüpfen. Zudem erschaffe ich immer eine gute Atmosphäre im Raum, zB mit Kerzen oder Musik, je nach dem, was passt. Ich glaube, die Frauen fühlen sich bei mir wohl.

Wie unterscheiden sich die Klientinnen von den Klienten? Haben sie unterschiedliche Ansprüche oder Herangehensweisen?

Das kling jetzt vielleicht etwas klischeehaft, aber Männer kann man viel schneller ködern. Mit ein paar Bildern, teilweise auch über den Preis. Frauen brauchen mehr Vertrauen, lesen sich alles ganz genau durch. Zudem beschreiben sie vorab ziemlich klar, was sie von mir wollen und vor allem welches Gefühl ich bei ihnen auslösen soll. Das sind teilweise richtig lange Texte, die ich da vorab bekomme. Fast schon kleine Drehbücher. Männer schicken mir eher eine kurze Liste mit Dingen, die sie sich wünschen.

Und bei der Session, wie unterscheiden sich da Männer und Frauen da?

Frauen halten viel mehr Schmerzen aus als Männer und haben den Vorteil der multiplen Orgamusfähigkeit. Das prägt dann die Sessions natürlich ganz besonders.

Hat dich das überrascht?

Eigentlich nicht. Das ist ja von Natur aus gesehen schon klar (Geburtsschmerzen). Trotzdem bin ich immer wieder verwundert, wie weit ich in Sachen Schmerzen mit meinen Klientinnen gehen kann. Das fordert mich teilweise ganz schön.

Macht es für dich persönlich einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau zu dir kommt?

Nein, überhaupt nicht. Geschlecht und körperliche Ästhetik sind für mich sekundär.

Was erregt dich beim Spielen?

Mich erregt in so einem Augenblick, dass jemand etwas für mich tut, was man sonst nicht tun würde wie zum Beispiel sich niederknien oder sich unterwerfen, die Füße küssen und solche Geschichten.

Und was ist, wenn die Chemie gar nicht stimmt?

Dann kann ich ein gutes Pokerface auflegen. In der Regel merkt das die andere Person nicht. Falls es aber wirklich gar nicht passt, kommt diejenige oder derjenige auch nicht wieder.

Ob Mann oder Frau, welche Menschen kommen generell zu dir?

Das kann der 92-jährige Lederliebhaber sein, eine 40-jährige Mutter, die sich als Sklavin auspeitschen lässt, ein Gay-Paar auf der Suche nach Spaß zu dritt oder ein Anfänger, der sich das erste Mal in ein Studio traut. Von jung bis alt, von unerfahren bis erfahren ist alles dabei.

Sind das Menschen, die in Beziehungen leben oder eher Singles?

Neun von zehn Kunden leben in einer Partnerschaft.

Wissen die Partner davon?

Genau kann ich das natürlich nicht sagen. Was ich jedoch so mitbekomme: Frauen und homosexuelle Männer sind meist offen und ehrlich gegenüber ihren Partnern. Heterosexuelle Männer hingegen halten es meist geheim.

Du hast früher in einem anderen Beruf gearbeitet. Wie kam es dazu, dass du Sexarbeiter wurdest?

Ich habe viele Jahre als Produktmanager gearbeitet und das hat mir auch richtig Spaß gemacht. Dann kam irgendwann eine Phase, in der ich gemerkt habe, dass ich etwas anderes machen will. Ich zog nach Berlin und durch Zufall in eine WG, in der eine Domina wohnte. Ich war schon immer sexuell aktiv und interessiert an BDSM. So hatten wir gleich ein gemeinsames Thema. Eines Tages nahm sie mich mit in ein Berliner Studio. Da war es um mich geschehen.

Was macht dir an deinem Beruf besonders viel Spaß?

Das positive Feedback, das ich von den Menschen direkt bekomme, das ist etwas, das unglaublich toll ist. Genauso wie die Dankbarkeit. Viele meiner Klient:innen leben mit mir aus, was sie sich schon jahrelang wünschen, vielleicht sogar ihr ganzes Leben. Ich darf diese Wünsche und Fantasien erfüllen. Und komme ihnen dabei sehr nah. Das ist ein großes Geschenk.

Gibt es ein Erlebnis, das dich sehr beeindruckt oder berührt hat?

Ich habe gerade eine Klientin, die eigentlich sexuell sehr zurückhaltend ist. Mit mir hat sie ihre Sexualität neu entdeckt. Wir haben herausgefunden, was sie erregt und dass sie sogar zu multiplen Orgasmen fähig ist. Eigentlich ist sie wahnsinnig sensibel. Wie ein Seismograf. Sie reagiert sehr schnell auf die Dinge, die ich mit ihr mache. Das sind immer wahnsinnig intensive Sessions mit ihr, die mich auch selbst sehr berühren.

Wie kann ich mir dich privat vorstellen?

Ich lebe in Berlin in der Nähe des Regenbogenviertels und habe einen schwulen Freundeskreis. Ich liebe Kunst und Kultur, besuche gerne Museen oder gehe ins Theater.

Du bist ja auch Pressesprecher beim Berufsverband erotische & sexuelle Dienstleistungen e.V.
Um was kümmert sich der Verein? Was sind seine Anliegen und Ziele?

Es gibt leider immer noch viele Menschen, die Sexarbeit als etwas Krankhaftes sehen, dagegen wollen wir ankämpfen. Durch Aufklärung und durch Öffentlichkeitsarbeit. Dann sind da noch die teils miserablen Arbeitsbedingungen für Sexarbeiter:innen. Wir versuchen, auf bestimmte Gesetze und Regelungen, die uns die Arbeit erschweren, aufmerksam zu machen und sie im besten Fall zu ändern oder abzuschaffen.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Da gibt es zum Beispiel das unsinnige Düsseldorfer Verfahren, ein Vorauszahlungsverfahren für die Besteuerung von Prostituierten in Deutschland. Die Bordellbetreiber müssen das Geld von ihren Prostituierten einbeziehen, 15 Euro pro Tag und Person. Man kann dann also nachvollziehen, dass die Person an diesem Tag im Bordell war und gearbeitet hat. Aber das führt zu massivem Abrechnungsbetrug zuungunsten der Frauen. , weil in der Regel gar nicht klar ist, wo diese Gelder hingelangen insbesondere, wenn die Frauen aus anderen Bundesländern kommen, können die Steruerberater und Finanzämter mit diesem Verfahren und der dahinter liegenden Abrechnung nichts anfangen. Als Berufsverband versuchen wir solche Ungerechtigkeiten zu ändern, aber das ist meist mühsame Arbeit, die nicht immer zum Erfolg führt. Da muss einfach noch viel getan werden.

Ein noch dringenderes Anliegen ist aber, dass es eine kleine aber sehr laute Gruppe Menschen gibt, die als Lösung aller Probleme, die die Sexarbeit natürlich auch beinhaltet, eine Kriminalisierung unserer Kunden sieht. Sprich: meine Kundin soll bestraft werden, wenn sie meine Dienstleistung in Anspruch nimmt.

So etwas gibt es in Schweden sowie Frankreich und bringt nachweislich massive Probleme für Sexarbeitende. Es führt auch nicht wirklich zu einem Rückgang von Sexarbeit oder „sexueller Kuriositäten“, sondern lediglich zur Eingrenzung der sexuellen Freiheit, Verdrängung Sexarbeit in die Unsichtbarkeit und mehr Leid insbesondere in den prekären Arbeitsbereichen.“

 

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